AnnaCarina hat Kassandra von Christa Wolf besprochen
Review of 'Kassandra' on 'Goodreads'
5 Sterne
Wolf befreit meine allzeit verteidigte Vernunft, Ratio, den Logos, von der Fetischkeule. Sie entinstrumentalisiert sie und bringt diese in die zwingende Verflechtung mit Emotionalität, Gefühlen, Reflexion und Subjektivität.
"...das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Ungetrennte, Geist im Leben, Leben im Geist."
Kassandra ist ein Buch über Eros und Lust.
Du stutzt jetzt? Das hat mich auch am meisten verblüfft.
Wolf rahmt das Buch mit Eros.
Der Erzählung wird folgendes Zitat voran gestellt:
„Schon wieder schüttelt mich der gliederlösende Eros, bittersüß, unbezähmbar, ein dunkles Tier.“
[SAPPHO]
Ohne zu Spoilern, endet es mit Eros - der Liebe - dem Schmerz, der dem dunklen Tier Sapphos entspricht.
Eros und Lust sind Kassandras Triebfedern. Sie ermöglichen das Leben im Augenblick, der Gegenwart, des vollen Bewusstseins und Bewusstwerdung.
Zu sehen. Sich selbst zu sehen. Seine Position zu erkennen. Zu wissen wofür man lebt, wofür man einsteht, was …
Wolf befreit meine allzeit verteidigte Vernunft, Ratio, den Logos, von der Fetischkeule. Sie entinstrumentalisiert sie und bringt diese in die zwingende Verflechtung mit Emotionalität, Gefühlen, Reflexion und Subjektivität.
"...das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Ungetrennte, Geist im Leben, Leben im Geist."
Kassandra ist ein Buch über Eros und Lust.
Du stutzt jetzt? Das hat mich auch am meisten verblüfft.
Wolf rahmt das Buch mit Eros.
Der Erzählung wird folgendes Zitat voran gestellt:
„Schon wieder schüttelt mich der gliederlösende Eros, bittersüß, unbezähmbar, ein dunkles Tier.“
[SAPPHO]
Ohne zu Spoilern, endet es mit Eros - der Liebe - dem Schmerz, der dem dunklen Tier Sapphos entspricht.
Eros und Lust sind Kassandras Triebfedern. Sie ermöglichen das Leben im Augenblick, der Gegenwart, des vollen Bewusstseins und Bewusstwerdung.
Zu sehen. Sich selbst zu sehen. Seine Position zu erkennen. Zu wissen wofür man lebt, wofür man einsteht, was zählt. Selbsterkenntnis.
„Du meinst, Arisbe, der Mensch kann sich selbst nicht sehen. - So ist es. Er erträgt es nicht. Er braucht das fremde Abbild. - Und darin wird sich nie was ändern? Immer nur die Wiederkehr des Gleichen? Selbstfremdheit, Götzenbilder, Haß? - Ich weiß es nicht. Soviel weiß ich: Es gibt Zeitenlöcher. Dies ist so eines, hier und jetzt. Wir dürfen es nicht ungenutzt vergehen lassen.“
Zu erkennen, das das Wir, die alltäglichen Dinge, du und ich, die gemeinsame Freude, das Spielerische miteinander, vor dem Tod, der Leere bewahren. Keine Götter. Keine Könige. Keine Herrscher.
Kassandra ist ein Buch der Bilder, des Imaginären. Ichwerdung trotz Sprachverlust „vor den Bildern sterben die Wörter“
Ein Buch der Isolation, des Schmerzes und der Angst.
Ein Netzwerk der Zeitebenen.
Eine Ästhetik des Widerstands – gegen Blindheit, zur Klarheit – gegen Macht, dem Wunschentzücken anderer. Gegen äußere Pflichten, gegen vorgegebene Rollen.
Dem Mythos wird die glanzvolle Fassade, der Schleier, geraubt.
Am Ende das Zugeständnis, der Mensch sehnt sich nach Helden, gewisse Zeiten benötigen ihre Helden. Ein naturalistischer Fehlschluss? Die Ohnmacht der Vernunft?
"Ich glaube, daß wir unsere Natur nicht kennen. Daß ich nicht alles weiß. So mag es, in der Zukunft, Menschen geben, die ihren Sieg in Leben umzuwandeln wissen."
So resignativ Kassandra sich über weite Strecken lesen mag, bricht sich ein eruptiver emanzipatorischer Befreiungsschlag Bahn.
Wolfs Sprache und Stil gleiten auf psychologischen, introspektiven, rhythmischen Bahnen dahin.
Mal analytisch - beobachtend, mal dramatisch- zuspitzend, mal gebrochen - energetisch.
Sie liebt ihre Version ihrer Kassandra und schenkt ihr einfühlsame Klarheit.
Es bewegt mich zutiefst