AnnaCarina hat Katz und maus von Günter Grass besprochen
Review of 'Katz und maus' on 'Goodreads'
5 Sterne
"Immer Wind und Sand unterwegs. Ein Frühling für Insektenfreunde. Wacholder kullerte. Überhaupt, Büsche und Zielansprache: die vierte Kuschel von links, dahinter zwei Pappkameraden, die gilt es zu treffen. Aber schöne Wolken über Birken und Schmetterlingen, die nicht wußten, wohin. Blankdunkle und kreisrunde Teiche im Moor, aus denen man mit Handgranaten Karauschen und bemooste Karpfen fischen konnte. Natur, wo man hinschiß."
Geschissen wird insgesamt sehr häufig, und gemüffelt und gemieft.
Das Zitat verdeutlicht was hier Phase ist. Der Erzähler des Buches steht für all die passiven Männekes, die Grass kritisiert. In der Ungewissheit und Orientierungslosigkeit, der Desillusionierung nur das Niederste, Profane erkennen können und sich darin suhlen, verweilen, untätig bleiben.
Keine Suche nach mehr, nach Bedeutung. Einfach mittreiben lassen und überall seine Scheiße drauf setzen, damit bloß nix bedeutungsvolles, schönes sichtbar wird, mit dem man sich dann auseinander setzen und den ganzen Rest in Frage stellen müsste. Da darf der Pfaffe auch mal an der Buchse fummeln, was solls.
Und Mahlke? Der Typ mit dem überdimensionierten Adamsapfel- die Erkenntnis der verlorenen Unschuld- der Typ auf der Suche nach Bedeutung, nach dem Erhabenen, der taucht was das Zeug hält, um irgendwann etwas unerreichbares in den Händen zu halten?
Unrast! Die Tat! Handlungen!
Dem selbst auf dem Scheißhaus nicht die Ernsthaftigkeit abhanden kommt, Sinn und Bedeutung am unmöglichsten Ort ins Holz kritzelt. Schnell weg damit. Hui, lasset die Scheiße regieren und nicht länger drüber nachdenken.
Handlungen führen zu Fehlern - Fehler sind die Möglichkeit für Veränderung.
Diesen Krieg, diese Zerstörung einer Zeit und Gesellschaft überträgt Grass auf seinen Text. Er wird zerfetzt. Auslassungen, Ellipsen, eigenwillige Satzkonstruktionen, "Du-Er-Wechsel" in der Ansprache, Wortschöpfungen, Fragmentierung.
Subtile Ironie. Das ist kein Text der die Masse abholen und eine spontane emotionale Reaktion hervorrufen soll. Er fordert aktive Interaktion mit ihm.
Grass ätzt und nagt sich in einer kühlen Nüchternheit, die mir imponiert, tief in die Hirnwindungen und fordert Reflexion.
Das ist die subtilste und intellektuellste Keule, die ich bisher lesen durfte. Guter Stoff, Günter!