AnnaCarina hat Der Ernst des Lebens von Ulrich Peltzer besprochen
Review of 'Der Ernst des Lebens' on 'Goodreads'
3 Sterne
Endlich ein Buch frei von Melancholie, Nostalgie und jeglichem Versuch eine bedrückende Schwere auf ein Leben zu legen.
Der Icherzähler aus Peltzers Roman springt mit uns durch sein Leben.
Retrospektiv erzählt, unverbindlich, in gewisser Distanz, reflexiv, in äußerst unterhaltsamen Plauderton.
Das Ganze ähnelt einem Bewusstseinsstrom, der szenisch und sprunghaft angelegt ist.
„Vielleicht ist das der Grund, warum ich versuche, mir alles ins Gedächtnis zu rufen, eine Zickzacklinie bis in die Gegenwart, zwei Zimmer, Küche, Bad, die mir gehören, sicher geparkte Ersparnisse, die Idee mit der Galerie. Man erzählt sich die eigene Geschichte, um darin einen Sinn zu entdecken, Logik. Die äußeren Bedingungen, die einem im Weg gestanden sind, der innere Schweinehund, wie die Redewendung lautet, den es an die Kette zu legen gilt, und was nicht noch alles. So eine Stimme im Kopf, die einem sagt, geh spielen, betrüg deine Frau, Ausländer raus. Aber die gibt es nicht, trotzdem unternimmt man Dinge, die einem schwer schaden, als hasste man sich selbst. Fragt sich nur, wofür, als würde es schon ausreichen, da zu sein. Zu existieren.
Was sich nicht verändert hat im Lauf der Zeit, ist schwer zu sagen. Was immer gleich bleibt, unter der Oberfläche. Und ob das etwas mit der Herkunft zu tun hat, einer Landschaft, zu der man sich hingezogen fühlt, der Sprache, die dort gesprochen wird. „Wie man’s andererseits oft nicht aushält, wenn man länger als drei Tage in der alten Umgebung ist. Was mache ich hier?, fragt man sich, aber genauso gut könnte man sich fragen, was man überhaupt irgendwo macht. Zu suchen hat. Rational ist das nicht zu entscheiden, höchstens, wenn es um Geld geht, wenn das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Situative Beschreibungen, beiläufige Beobachtungen.
Sämtliche Lebensbereiche werden beleuchtet.
Er webt sehr organisch und subtil popkulturelle Referenzen, gesellschaftspolitische Themen und psychologische Feinheiten ein.
Insgesamt ist das extrem gut gearbeitet.
„Die Frage, wohin ich gehöre, habe ich mir nie gestellt, ich weiß aber, dass man mit rationalen Gründen allein einer Antwort nicht näherkommt. Man kann mit dem besten Job irgendwo todunglücklich sein, metaphysisch sozusagen. Mir scheint, das ist ähnlich wie in der Liebe, der Point of no Return, man muss nur den Mut aufbringen, sich drauf einzulassen. Um den Rest seines Lebens nicht mit Halbheiten zu verbringen. Scheitern inklusive, Selbsttäuschungen, aber wenigstens weiß man’s dann hinterher. Das ist ja auch was.“
Allerdings ist mit dieser Erzählanlage und der Themensetzung schnell die Luft raus.
Er hält dieses Schema bis zum Ende durch. Es ermüdet mich zu schnell. Im Grunde hätte ich nach 40% das Buch abbrechen müssen.
Das Buch leidet durch den erfrischend schwerelosen Duktus irgendwann an fehlender Substanz.
Die eigentlich da ist, versteckt, verwoben.
Sehr seltsam. Ich kann das nicht anders benennen, als ein wirklich gutes Buch gelesen zu haben, das mir so rein gar nichts hinterlässt. Hä?