AnnaCarina hat Zitronen von Valerie Fritsch besprochen
Review of 'Zitronen' on 'Goodreads'
Wow! Das muss ich bei 15% aus Selbstschutz abbrechen. Nicht aufgrund des heftigen Inhaltes sondern aufgrund der Sprache und des Stils, die für mich der reinste Psychoterror sind.
Hier ein längeres Zitat, das für mich die Überforderung und Toxizität des Textes verdeutlicht :
„Schuld schien keine persönliche Leistung in dieser Welt, aber eine fremde Zuweisung, ein Päckchen, das man nicht ablehnen konnte, ein Stein, der einem jede Nacht heimlich tief in die Hosentasche gesteckt wurde, so dass man tags darauf unter seinem Gewicht zusammensank. Alle belogen einander, und nicht zuletzt sich selbst, in diesem Haus, und jede weitere Lüge machte sie gierig, auch die nächste zu glauben .Alles wird gut, hörte August die Eltern sagen. Es war ein Glauben gegen alle Wahrscheinlichkeit, eine Hoffnung gegen jede Erfahrung. Es bedurfte einer Vergesslichkeit, einer Erinnerungslücke, die nach einem schönen Moment den schlechten, der ihm vorangegangen war, verschlang. Die Mutter sagte kein Wort gegen den Vater, stellte sich seinem Wüten nie entgegen, schaute lethargisch in sich selbst hinein, aber eilte, kaum war es vorbei, geschäftig und mit roten Wangen zu August, um ihn mit Zärtlichkeiten zu überschütten. Fast schien sie froh, endlich Gelegenheit gefunden zu haben für ihren Trost, es war, als habe sie die entschlossenen Handgriffe ihrer großen Trägheit für gerade jene Augenblicke abgespart, in denen sie einen blauen Fleck mit Franzbranntwein abrieb oder dem weinenden Kind eine süße Milchkaramelle in den Mund steckte.“
Das ist die reinste Symbol, Metaphern und Adjektivschlacht. Zu dicht, erschlagend, überfrachtet. Zu stark aufgeladen.
Der gesamte Text (bis zu den gelesenen 15%) ist so! Keine Erholung!
Psychologisch komplex, aber, alles wird durch den Erzähler eingeordnet, interpretiert und mit Bedeutungen versiegelt.
Mir nimmt es die Interpretationsfreude, die geistige Beweglichkeit.
Ich kann mich hier nur an der Sprache berauschen.
Und die ist für mich wie ein Treffen in einer Großgruppe. Von sämtlichen Seiten hämmern Gespräche, Gedanken, Stimmen auf dich ein. Das zu filtern, ist mir nicht möglich.
Ich stehe mit solch einer Anlage des Textes kurz vorm Meltdown.
Interessant ist, dass mich der Text, solange er ohne die dunklen, gewalttätigen Seiten vor sich hinschwebt, ganz schnell langweilt (Abschalten, Langeweile hier schon als Selbstschutz?) und im hallo wach Moment, der mich zwingt aufmerksam zu sein, die Flut der benannten Symbolik etc. nicht mehr ausbremsen kann und mich an die Wand der ausladenden Bedeutungszuweisung klatscht.
Eine Schönheit die zu viel will, blendend strahlt, Migräne und aus. Schachmatt.