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Weiches Begräbnis (Hardcover) Keine Bewertung

Review of 'Weiches Begräbnis' on 'Goodreads'

Keine Bewertung

Abbruch auf Seite 138.
Eine Form des Realismus mit der ich nicht arbeiten kann.
Das Buch widerspricht zudem jeglichen ästhetischen Ansprüchen, die ich an Literatur habe.

Mal abgesehen davon, dass ich es mechanisch, hölzern, teils affektiert und platt gestaltet finde, habe ich mit der sprachlichen und symbolischen Engführung das Hauptproblem.
Engführung ist für mich das Fixieren auf bestimmte Bedeutungen und Debatten, ohne stilistische Mittel einzusetzen, die das umfließen. Wenn Sprache nicht mehr macht, als die Fixierung der Protagonisten zu bestätigen.
Fang Fang arbeitet mit einem Realismus, der zwar ein Trauma bespielt und damit mit Lücken und der Weigerung der Erinnerung umgehen muss, dieses Trauma aber in der Deutung und Wertung bereits festlegt. Dh. sie umspielt es sprachlich nicht. Es bleibt in der Weigerung und das was erzählt wird sind dokumentarische Erinnerungen.
Unsicherheiten werden weggelacht oder durch affektiertes Puppentheater in einer überzeichneten symbolischen Struktur verfestigt.
Dh es werden zwar Widersprüche und Paradoxien benannt. Sie werden aber nicht sprachlich verarbeitet sondern in eine Bedeutung, eine Norm, eine vorhandene Verhaltensregel integriert.

Witze oder spezifische Aussagen müssen erklärt werden, da sie sonst nicht verständlich sind. Das nimmt Dynamik und Eigenleben weg.

Ich möchte mein Problem an einem Beispiel verdeutlichen:

Die Zeiten haben sich weiß Gott verändert«, seufzte Liu Jin-yuan. »Früher gab es all diese Restaurants nicht, nichts hier erinnert mich an früher.«
»Heute verändern sich die Städte innerhalb von zehn Jahren grundlegend, innerhalb von fünf Jahren spürbar. Wann sind Sie das letzte Mal hier gewesen?«
»Vor vierzig Jahren.«
»Das bedeutet eine viermalige grundlegende und achtmalige
spürbare Veränderung.«
»Das bedeutet viermaliges Kacken und achtmal Pissen, ist es nicht so? «
Qinglin lachte: »Ihr Humor ist ziemlich schwarz.«
Auch Liu Jinyuan musste lachen. Sein Leben lang war er auf Haltung und Seriosität bedacht gewesen, doch die lange Untätigkeit nach der Pensionierung war nicht ohne Einfluss auf seinen Charakter geblieben. War er so ausfallend geworden und so ohne Hoffnung, weil ihn die Welt nicht mehr brauchte?


Die Sprache wir hier funktional eingesetzt, um eine bestimmte historische und gesellschaftliche Realität zu benennen, jedoch ohne eine Offenheit zu schaffen. Im Grunde nutzt sie die Redundanz der Aussage, um eine Bearbeitung zu vermeiden. Was ergibt sich denn daraus? Nichts.
Die Realität wird der aktuellen symbolischen Ordnung einverleibt, indem es Fokus auf das Verhalten des älteren Herrn verlagert, einer Wertenorm, wie er denn nun so ausfällig werden konnte.
Ohne Hoffnung muss direkt eine Bedeutungszuschreibung bekommen, statt es offen und wirken zu lassen.
Der Dialog wirkt durch diese Anlage einfach nur steif und transportiert lediglich die Information „schnelle Veränderung“ und „hoffnungslos weil nutzlos“.

Ich lese Bücher nun mal nicht auf Grund einer Information. Ich möchte mich verhalten müssen. Ich möchte mich bewegen. Ich möchte den Text falten können und auf Möglichkeitsräume stoßen. Das funktioniert mit solch einer Form aber nicht. Ich benötige Brüche, Verformungen des Textes.
Ich möchte kein Empfänger einer Botschaft sein. Ich möchte aktiv mitgestalten, herausgefordert werden.
Das tut dieser Text nicht. Da ist mir egal wie wichtig und heftig der Inhalt ist, der transportiert werden soll.