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Yasushi Inoue (井上靖): Das Jagdgewehr (Paperback, German language, Suhrkamp) 4 Sterne

Review of 'Das Jagdgewehr' on 'Goodreads'

4 Sterne

Ein komplexes Zusammenspiel aus gesellschaftlichen Konventionen, Erwartungshaltungen und Normen.
Die Figuren agieren in restriktiv gebunden Strukturen, die ihnen wenig soziale Verhaltensspielräume gewähren. Vieles kann und darf nicht benannt werden. Die Kommunikation läuft zwangsweise, infolge der Unmöglichkeit einer gemeinsamen Bedeutungsbasis, in eine Sackgasse. Man hat schlicht für gewisse Situationen keinen passenden sozialen Code zur Verfügung.
Daraus resultierend erleben wir ein eindrückliches Schauspiel des Rückzugs, Einmauerns, Geheimnis Wahrens - eine Kälte der Einsamkeit, auf allen Seiten.
Zudem kommt es zu lauter Fehlinterpretationen, da die Figuren durch ihre Verschlossenheit vor dem Dilemma eines immensen Informationsmangels stehen, der eine riesige Blackbox in der Kommunikation darstellt, auf dessen Grundlage aber das eigene Handeln bestimmt wird.
Zu guter Letzt greift Inoue auch noch das Thema des Mutes und der Risikobereitschaft auf, die die meisten Menschen schmerzlich vermissen lassen und sich zum passiven Empfängertum entscheiden.
Wozu dies führt, erfahren wir in 3 Briefen, der Tochter der Geliebten, der Ehefrau des Mannes mit dem Jagdgewehr und am Ende der Geliebten selber.
Die Beziehungen erodieren zu funktionalen, strategischen Interaktionen, bis nur noch die Isolation übrig bleibt.

Die Symbolik, der sich Inoue bedient, wirkt hier und da etwas arg plakativ stereotyp.
Insbesondere der Brief der Gattin strotz vor dem Symbol des Phallus als Repräsentant der Macht, das den eigenen Mangel darstellt. Natürlich kommt man dann schnell zu dem Schluss das Gewehr auch als solches zu begreifen. Interessant ist dann aber wiederum wie er weiter damit verfährt. Er nutzt dieses Symbol, um subtil auf einen Zwischenzustand zu verweisen, der wiederum in den gesellschaftlichen Konventionen vertäut ist und die Gattin zwingt, durch diese zunächst seltsame Szene des Begehrens, sich zu verhalten. Die ganzen Fehlinterpretationen und unzulänglichen Kommunikationsmittel, die einen Schwebezustand auslösen, wirken letztendlich als Katalysator für eine Handlung von ihr.

Ja hier und da möchte ich mit den Augen rollen und dachte mir, „das hast du genauso schon hunderte Male in japanischer Literatur gelesen“. Aber! In der Gesamtkomposition ist das schon, insbesondere in Verbindung mit der Schlusspointe, ein ziemlich cooles, kleines Stück Literatur.