AnnaCarina hat Die Eiswand. Roman. von Yasushi Inoue (井上靖) besprochen
Review of 'Die Eiswand. Roman.' on 'Goodreads'
2 Sterne
2,5 Sterne
Oha, meine Notizen lesen sich arg nach Kafka Parallelen zum „das Schloss“:
Chiffrenliteratur, Versuchsanordnung, Sprache illustriert nur, mechanische Wiederholungen, ein Theaterstück, das wie ein Gleichnis daher kommt, die Figuren sind weitestgehend Funktionsträger, Ordnung muss sein, fixierte Wahrheiten vs. Ungewissheiten.
Viele Notizen habe ich mir nicht gemacht. Das ist meist ein schlechtes Zeichen.
Ich bin nach wie vor unschlüssig was ich von dem Buch halten soll. Es ist so inkohärent in der sprachlichen Gestaltung. 5 Sterne und 1 Sterne Passagen waren dabei.
Der Anfang bis zur Bergbesteigung, das Suchen und die Trauer und dann die letzte Bergtour zum Ende, lasen sich gut. Hier hat er einen feinfühligen, luftigen, unaufdringlichen Stil, der viel Atmosphäre frei setzt.
Die Klettertour ist ehr in Form eines Ablaufprotokolls geschrieben. Ein ziemlicher Bruch zum Vorangegangenen.
Dann diese ewig lange Seil-Thematik im Mittelteil: Zeitungsberichte, Versuchsanordnung, Diskussionen, die am Schluss in einer Wissenschaftspolemik münden. Puh. Diese weiten Strecken lesen sich kaum produktiv. Ermüdend und nahezu beleidigend gegenüber dem Potential des Stoffes. Die Form wiederholt lediglich die Aussage. Der Text übernimmt teilweise vollständig das Denken der Figuren. Vieles liest sich furchtbar unreflektiert. Da ist überhaupt kein Widerstand spürbar. Er vollzieht das Problem, statt es zu durchbrechen.
Irgendwie liest sich das nach sprachlichem Fatalismus.
Ich bleibe nur ganz grob in der Symbolik des Textes, da alles andere sofort spoilern würde, was ich schade fänd.
Das Buch endet mit einem symbolischen Akt, einer Bewegung die nur für die Person ihre Gültigkeit besitzt, zu der es vermutlich nie so nie gekommen wäre, wenn die symbolische Ordnung der Mitmenschen diese Figur nicht pathologisiert und durch Sprache in eine gewisse Position gedrängt hätten.
Eine autonome Entscheidung, die mal so gar nicht autonom wirkt, sondern irrational, da sie eine Bedeutung einschreibt, die den Affekt der Ohnmacht und unlösbaren Spannung frei legt.
Darum kreist das Buch – der Widerspruch zwischen Hingabe und Ordnung oder deren Kippmomente.
Die Debatte verhakt sich, ob das Leben als kalkuliertes Spiel der Vernunft gestaltet werden kann und wie viel unkontrollierbare Momente zumutbar sind.
Ratio und Wagnis werden allerdings sehr dualistisch und hart einander gegenüber gestellt.
Inoue arbeitet sich äußerst plakativ an dem gesellschaftlichen Festhalten symbolischer Ordnung, vermeintlichen Wahrheiten, Sicherheiten, Normen und Werten ab.
Natürlich liest sich daher die ganze Seilthematik als Chiffre für Schuld, Wahrheit und Lüge und was passiert, wenn plötzlich und unerwartet ein Riss das soziale Gefüge durchzieht. Wo ist der Halt, die Sicherheit im freien Fall? Ach nee, Moment: den Fall dürfte es erst gar nicht geben. Geht nicht. Ist nicht vorgesehen. Die heile Ordnung sagt NEIN! Hehehe. Schöne Illusion. Frag mal Maren Kames [b:Hasenprosa|204119901|Hasenprosa|Maren Kames|https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1703013090l/204119901.SY75.jpg|209984058] !! Ja, Maren ich weiß, "Purple Rain" war noch nicht erfunden.
Es gibt diese Momente, in denen einige Figuren zwischen Tat und Möglichkeit oszillieren.
Leider verschnürt er es zu schnell mit dem Symbolischen, ordnet viel zu früh und lässt dem Imaginären zu wenig Raum, was sich durch die sprachliche Gestaltung, die ich anmerkte, erklärt.
Für diesen Stoff hätte ich viel mehr sprachliche und stilistische Ambivalenzen benötigt. Ich hätte viel öfters in das Innenleben der Figuren, statt die äußere Debatte abtauchen müssen.
Seine Ästhetik verfehlt bei mir weitestgehend den Effekt, den dieses tragische und berührende Thema eigentlich hätte haben sollen. Statt dessen muss ich es leider als Diskursliteratur abwatschen.
Ich denke, es liegt mal wieder daran, dass mir an dem Buch die nötige Offenheit fehlt.
Bin etwas bedröppelt, da ich weiß dass Inoue das kann. Im „Jagdgewehr“ hat er die nötige Offenheit bewiesen.