AnnaCarina hat Die Jakobsbücher von Olga Tokarczuk besprochen
Review of 'Die Jakobsbücher' on 'Goodreads'
4 Sterne
Grobe Zeitspanne von 1740-1796
Ich kann schon mal verraten: es wird mächtig viel geboren, gestorben und die Namen gewechselt.
Über eine so lange Zeitspanne die Figuren zu verfolgen, hat so sein Für und Wider.
Das Positive daran:
Mir wurde nochmal richtig klar, was für medizinisch und hygienisch üble Zeiten das waren. Die Frauen Gebärmaschinen, gefühlt 80% der Geborenen schaffen es nicht ins Erwachsenenalter, die Frauen früh ausgelaugt und mit 40 Jahren Greisinnen. Hilflos bei vielen Krankheiten. Man stumpft im Laufe des Buches selbst schon ab, wenn dann der 40. Todesfall erwähnt wird " Ach, den hat's jetzt auch erwischt. Na dann..." Olga Tokarcuk beschreibt es auch genau so! Kein Drama, kein Ausgeschmücke. Hier wird in großen Teilen ganz sachlich weggemeldet was Phase war.
Der Wandel der Zeit war so eklatant und gut dargestellt. Unser charismatischer Jakob, mit seiner imposanten Art und den Methoden seine Jünger einzuschwören, passte in der Türkei …
Grobe Zeitspanne von 1740-1796
Ich kann schon mal verraten: es wird mächtig viel geboren, gestorben und die Namen gewechselt.
Über eine so lange Zeitspanne die Figuren zu verfolgen, hat so sein Für und Wider.
Das Positive daran:
Mir wurde nochmal richtig klar, was für medizinisch und hygienisch üble Zeiten das waren. Die Frauen Gebärmaschinen, gefühlt 80% der Geborenen schaffen es nicht ins Erwachsenenalter, die Frauen früh ausgelaugt und mit 40 Jahren Greisinnen. Hilflos bei vielen Krankheiten. Man stumpft im Laufe des Buches selbst schon ab, wenn dann der 40. Todesfall erwähnt wird " Ach, den hat's jetzt auch erwischt. Na dann..." Olga Tokarcuk beschreibt es auch genau so! Kein Drama, kein Ausgeschmücke. Hier wird in großen Teilen ganz sachlich weggemeldet was Phase war.
Der Wandel der Zeit war so eklatant und gut dargestellt. Unser charismatischer Jakob, mit seiner imposanten Art und den Methoden seine Jünger einzuschwören, passte in der Türkei bzw. dann in Polen noch sehr gut ins Bild der Gesellschaft. Als wir dann aber nach Österreich kommen,
denk ich :" Hä! wie geht das denn?" Polen war wie tiefstes Mittelalter beschrieben. Nur Regen, Nebel, Nässe, der Geruch von Schweiß, Ausdünstungen, Pferdemist, feuchte Wolle, Elend, Leid. Und dann hoppel, hoppel Pferdewagen und Zack: schönes Österreich, zwitscher, zwitscher, Aufklärung, schicke Kleidchen, Hüte, Pomp und Glorie! Da wirkt der schon deutlich gealterte Jakob Frank mit seinen Marotten völlig aus der Zeit gefallen.
Das Negative daran: Viel Personal, viele Zeitsprünge. Und da muss ich gestehen, hat sie mich immer wieder verloren. Die Storys diverser Leute versandeten für mich teilweise im Nirgendwo, hatten keine wirkliche Relevanz oder waren zu distanziert.
Das Buch liest sich daher auch nur streckenweise wie ein Roman. Es ist ehr ein Sammelsurium aus Briefen, Berichten, Zeugnissen und fiktiven Romananteilen. Sie bewahrt meist die Distanz, aus einer kreisenden Vogelperspektive und lässt uns nur hin und wieder nah an die Protagonisten ran.
Tolle Figuren mit gewisser Tiefe waren für mich: Pater Chmielowski, dessen grandiosen Briefwechsel ich mit Frau Druzbacka genossen habe, die Tochter Jakobs-Eva und Nachmann, sein Vertrauter, der ihn von Anbeginn begleitet hat. Von Nachmann finden wir sehr viele tagebuchartige Einträge, die mir sehr gut gefallen haben, da er zu Übertreibungen neigte und alles ins Bild der religiösen Erzählung passen musste. Dabei kamen tolle mythologische Aufzeichnungen in denen Jakob Wunder wirkt etc. heraus.
Da mich der jüdische Glaube, von dem wir zu Beginn viel erfahren (ua. durch Unterrichtseinheiten der Kinder- tolle Szenen), die Lehren und Dynamiken der sektenartigen Bewegung um Jakob Frank sehr interessiert haben, konnte ich weitestgehend über die drögen und ausschweifenden Stellen hinwegsehen.
Die Sprache hat mir übrigens sehr gut gefallen. Da hat Sie meiner Meinung nach genau den richtigen Ton getroffen.