AnnaCarina hat An das Wilde glauben besprochen
Review of 'An das Wilde glauben' on 'Goodreads'
3 Sterne
Update 2024-05-31 Nach Lektüre von [b:Tod in den Augen: Figuren des Anderen im griechischen Altertum: Artemis und Gorgo|105031634|Tod in den Augen Figuren des Anderen im griechischen Altertum Artemis und Gorgo|Jean-Pierre Vernant|https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1679178502l/105031634.SY75.jpg|128253124] von Jean-Pierre Vernant, auf den Martin Bezug nimmt, ergibt sich ein neues Bild.
Martin bespielt nicht das Dionysische. Dies wäre nämlich lebensbejahend, transformtiv. Ein orgastischer Wahn, der dynamisch wirkt.
Sie verhält sich zwar Wahnhaft, allerdings in einer destruktiven Weise, voller Schmerz und Angst.
Vielmehr bespielt das Buch den Blick in die Maske der Gorgo und die daraus folgende Starre.
Was ich im folgenden, zugegeben sehr umständlich versuche zu erklären, ist aber nichts anderes, als dieser Starre Ausdruck zu verleihen.
Artemis als Geleit durch die Dunkelheit hat Martin in ihrem Buch nicht gefunden.
Den Verstand auch nicht und somit stürzt sich das Buch ins Ungewisse, ungewiss wo das Licht her kommt oder ob es jemals erscheint. Dafür müsste …
Update 2024-05-31 Nach Lektüre von [b:Tod in den Augen: Figuren des Anderen im griechischen Altertum: Artemis und Gorgo|105031634|Tod in den Augen Figuren des Anderen im griechischen Altertum Artemis und Gorgo|Jean-Pierre Vernant|https://i.gr-assets.com/images/S/compressed.photo.goodreads.com/books/1679178502l/105031634.SY75.jpg|128253124] von Jean-Pierre Vernant, auf den Martin Bezug nimmt, ergibt sich ein neues Bild.
Martin bespielt nicht das Dionysische. Dies wäre nämlich lebensbejahend, transformtiv. Ein orgastischer Wahn, der dynamisch wirkt.
Sie verhält sich zwar Wahnhaft, allerdings in einer destruktiven Weise, voller Schmerz und Angst.
Vielmehr bespielt das Buch den Blick in die Maske der Gorgo und die daraus folgende Starre.
Was ich im folgenden, zugegeben sehr umständlich versuche zu erklären, ist aber nichts anderes, als dieser Starre Ausdruck zu verleihen.
Artemis als Geleit durch die Dunkelheit hat Martin in ihrem Buch nicht gefunden.
Den Verstand auch nicht und somit stürzt sich das Buch ins Ungewisse, ungewiss wo das Licht her kommt oder ob es jemals erscheint. Dafür müsste man sich ja selber bewegen um den Schalter dahinter zu finden.
Update 2024-05 Die Zweitlektüre:
Das Buch stellt eine komplexe und widersprüchliche Postion der Protagonistin dar, die zwischen Schicksal und Freiheit, zwischen symbolischer Ordnung und radikaler Alteriät oszilliert.
Ein Kriegerischer Geist, der die symbolische Ordnung der Gesellschaft nicht akzeptiert, dagegen ankämpft, sich ihr entzieht und in der Begegnung mit einem Bären, Kairos, den günstigen Moment einer Entscheidung des Handelns sieht, ein Moment, der ihre Existenz grundlegend gestaltet, schreibt hilflos um sich schlagend einer Möglichkeit der Heilung entgegen. Eine Heilung die nicht versöhnen, sondern überwinden soll.
“Uns selbst zu befreien – nicht etwa von der Existenz der Vergangenheit, sondern von ihrem Band, das ist die seltsame und dürftige Aufgabe. Das Band dessen zu lösen, was vergangen ist, was geschehen ist, was geschieht, das ist die einfache Aufgabe.“
Das Buch verarbeitet die inneren Konflikte, Ablehnung gesellschaftlicher Normen und Ordnungssysteme, die Unmöglichkeit Frieden zu finden, die auf die Konfrontation mit dem Bären, die Natur übertragen werden. Das Tier wird zum Opfer der inneren Unruhe und Hilflosigkeit des Menschen.
„ die Ruhe ist nicht meine Stärke. Ich sage mir, dass ich auf der Hochebene wohl uneingestanden auf der Suche war nach demjenigen, der endlich die Kriegerin in mir offenbaren würde; dass dies sicher der Grund ist, warum ich, als er mir den Weg abgeschnitten hat, nicht vor ihm geflohen bin. Ich habe mich im Gegenteil in den Kampf gestürzt wie eine Furie und wir haben unsere Körper jeweils mit dem Mal des anderen gezeichnet.“
Das Wilde, die Natur, der Wald bedeuten - an sich - für sie Rückzug. Hier geht sie in die Introspektion. Eine Umwelt frei von dem feindlichen Ordnungssystem. Auch ist dieser Ort das Andere – Fremde – das von ihr bekämpft wird. Der Rückzugsort dient als Projektionsfläche für Krieg. Frieden ist für sie eine Unmöglichkeit.
Dennoch verarbeitet sie dies sprachlich zunächst als schicksalhafte Begegnung, was dem Kairosgedanken entgegen läuft. Ihre Handlungen und Gedanken legen nahe, dass aus diesem Widerspruch, die Weigerungshaltung Verantwortung übernehmen zu wollen spricht.
Die Konfrontation mit dem Realen, kommt durch die radikale Weigerung eine symbolische Ordnung zu akzeptieren oder selbst zu implementieren nicht zu Stande. Sie wischt Bedeutungzuschreibungen, den Bedeutungsüberschuss, mit dem wir alle konfrontiert sind, wie ein wütendes Kind vom Tisch. Damit nimmt sie sich ihre Freiheit der eigenen Ordnung. Ohne dieses eigene System kann sie keine Reflexion anstellen. Daher bekommt der Text eine heftig passiv-agressive Schlagseite, die in die mythologische Flucht, die reinste Verschleierungstaktik darstellt.
Dies verdeutlicht sie in einer Unterhaltung. Sie möchte die Dunkelheit. Aufbrechen sämtlicher Strukturen. Ab ins Unbekannte mit Nichts. Auf der Welle des Todestriebes ohne Verstand surfen.
„Bei mir ist das Licht nicht ausgegangen und die Geister sind geflohen. Ich sehne mich so sehr danach, das Licht zu löschen. Heute Nacht kehre auch ich in den Wald zurück…. In der Tiefe der eisigen Wälder »findet« man keine Antworten. Man lernt zuerst, seinen Verstand anzuhalten und sich vom Rhythmus erfassen zu lassen“
Sie will Ursuppe, das Geworfen sein in einem vorsichhinwabernden Bedeutungs- und Weltenverschiebungsschlamm, in dem sie kämpfen kann, Krieg führen, ohne Ziel, ohne Eros. Immer nur im Verzug. Aber immerhin Mensch und Bär sind verbunden.
„Wie in den Zeiten des Mythos herrscht die Ununterschiedenheit, ich bin diese undeutliche Form, deren Züge in den offenen Breschen des mit Blut und Sekreten verschmierten Gesichts verschwunden sind – es ist eine Geburt, da es ganz offensichtlich kein Tod ist.“
„Gefühl, die Welt hinter mir zu lassen; eine Version der Welt; meine Welt. In die ich nicht mehr hineinpasse; in der ich daran scheitere, mich selbst zu verstehen.“
Der Gedanke, die Dualität aufzulösen, das Mensch und Tier eine Verbindung eingehen stellt in diesem Text keine ernsthafte prozesshafte dynamische Bearbeitung dar.
Sie verkennt die Notwendigkeit sich den symbolischen Strukturen zu stellen, die mit dem Unbewussten verflochten sind. Ein Zustand der Stasis tritt an diese Stelle.
Sie entscheidet sich für den Weg über die Alterität, diesen Konflikt auszutragen und zitiert Jean-Pierre Vernant.
„Die Medusa zu sehen bedeutet für Vernant aufzuhören, man selbst zu sein, in ein Jenseits versetzt zu werden, zum Anderen zu werden. Den Menschen zu sehen, der den Bären sieht, oder den Bären, der den Menschen sieht, versinnbildlicht für Wassja die Reversibilität; es steht für ein Zusammentreffen, in dem die an sich radikale Alterität tatsächlich die größtmögliche Nähe ist; für einen Raum, in dem der eine zum Spiegelbild seines Doubles in der anderen Welt wird.“
Die Begegnung, an sich, als transformative Kraft. Damit darf die Symbolische Ordnung in den Schlaf des Vergessens entschwinden.
Ein weiteres Gespräch verdeutlich die Problematik dieses Gedankens.
Es geht um eine Coexistenz ohne dass diese verständlich und greifbar ist. Alles entzieht sich dem Verstehen. Die Sprache ist performativ aber immer schicksalhaft.
Und Schicksal will sie am Ende nun doch nicht mehr.
„Doch erst einmal muss ich einen radikalen Schnitt setzen: Ich breche auf in Richtung Berge, ich will Luft, freie Sicht, Kälte, Eis, Stille, Leere und Kontingenz, bloß kein Schicksal mehr und erst recht keine Zeichen.“
„Ich sage nichts, ich bin bewegt. Das ist meine Befreiung. Die Ungewissheit: ein Versprechen von Leben.“
Dumm nur, dass sie den Konflikt zwischen symbolischer Ordnung und Alterität nicht auflöst, angeht und keine Integration vornimmt. Sie bleibt am Ende als Leere reflektionslose Mensch-Bär Hülle zurück.
Sprachlich Stellenweise sehr sinnlich, einnehmend. Schöne Bilder.
Mich überzeugt die Gesamtkomposition nicht.
Bin eigentlich ehr bei 2,5 Sternen. Belasse es bei 3, da mich die grundlegende Auseinandersetzung und der innere Konflikt sehr interessiert hat und ich etwas über Alterität gelernt habe.