AnnaCarina hat Menschenkind von Toni Morrison besprochen
Review of 'Menschenkind' on 'Goodreads'
5 Sterne
Rereads werden nun des Öfteren folgen. Der zweite Durchgang dieses Buches hat so richtig bei mir eingeschlagen.
Da ich nun sprachlich und stilistisch vollumfänglich etwas mit dem Buch anfangen konnte, war ich in der Lage deutlich fokussierter mit dem Inhalt umzugehen. Und siehe da, ich habe doch tatsächlich etliche biblische Parallelen aus dem alten Testament finden können. Wen wundert es, wenn Morrison selber doch ihrem Buch Römer 9:25 voran stellt. Nur, dass wir Gott vergeblich im Buch suchen können. Er ist diese ominöse Leerstelle, von denen es viele im Buch gibt. Lücken die der Leser füllen darf, mit Symbolik an der Hand, um die Übergänge zur unerreichbaren harten Realität erträglich, händelbar zu machen. Morrison verhandelt den Schmerz, in seinen herrlichsten Abgründen, mit einer Sinnlichkeit, das einem Hören und Sehen vergeht. Wir riechen, fühlen, sehen, assoziieren, sind empfänglich für jeglichen Reiz der an "spitzenbesetzen Bäumen baumeln" mag. Jetzt sind wir bereit …
Rereads werden nun des Öfteren folgen. Der zweite Durchgang dieses Buches hat so richtig bei mir eingeschlagen.
Da ich nun sprachlich und stilistisch vollumfänglich etwas mit dem Buch anfangen konnte, war ich in der Lage deutlich fokussierter mit dem Inhalt umzugehen. Und siehe da, ich habe doch tatsächlich etliche biblische Parallelen aus dem alten Testament finden können. Wen wundert es, wenn Morrison selber doch ihrem Buch Römer 9:25 voran stellt. Nur, dass wir Gott vergeblich im Buch suchen können. Er ist diese ominöse Leerstelle, von denen es viele im Buch gibt. Lücken die der Leser füllen darf, mit Symbolik an der Hand, um die Übergänge zur unerreichbaren harten Realität erträglich, händelbar zu machen. Morrison verhandelt den Schmerz, in seinen herrlichsten Abgründen, mit einer Sinnlichkeit, das einem Hören und Sehen vergeht. Wir riechen, fühlen, sehen, assoziieren, sind empfänglich für jeglichen Reiz der an "spitzenbesetzen Bäumen baumeln" mag. Jetzt sind wir bereit den Überwurf der uns vor dem Realen schützt hinfortzuziehen und blicken in die unergründliche Abscheulichkeit des Menschengeschlechts. Oder aber, wir bedienen uns der Lücken und Leerstellen, klammern uns an blühenden Bäumen und lustigen Farbenspielen fest, säuseln: "nur weniger Schmerz, das wär doch was" und beenden ein gutes Buch in vornehmer Distanziertheit.
Ich empfehle die Radikalkur! Eventuell werden wir mit ein wenig Solidarität belohnt :-)
Aussagen des ersten Durchgangs Mai 2022:
Mein lieber Schwan. Das war anspruchsvoll. So einen Stil hab ich noch nie gelesen. Unaussprechliches Leid, Grausamkeiten und völliger Beraubung vom Mensch sein. Selbst der Hahn auf dem Mist besitzt mehr Würde und Identität als unsere Protagonisten.
Toni Morrison hat eine blumige, mystische Sprache gewählt und bedient sich massenweise diverser Bilder. Natur, Blumen, Bäume und Farben spielen eine wichtige Rolle. Pathos kommt nicht vor. Grotesk verzerrt wirken viele Szenen, da sie wie entrückt die Gräuel schildert und den Protagonisten nur wenig Emotionalität gestattet. Gebrochene Menschen, die in Vergangenem festhängen und keinen Platz in „dem da draußen“ finden. Dazu kommt eine Metaphysische Komponente, die sehr gut gewählt ist um die Zerrissenheit und die emotionalen in sich eingeschlossenen Kämpfe zu unterstreichen.
An sich alles 5 Sterne wert, wäre da nicht mein persönliches Geschmäckle:
Der Erzählstil zu verwirrend. Insbesondere in der ersten Hälfte wusste oft nicht wo wir gerade sind und was sie mir erzählen möchte. Musste häufig Passagen mehrmals lesen. Das hat für keinen schönen Lesefluss gesorgt und ließ mich leicht entnervt zurück. Die Bilder, metaphorischen Ausführungen und nebulösen Beschreibungen: zu viel!